Jugenderinnerungen


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Der Feldmauser

In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts zahlte meine Wohngemeinde Nussbaumen den Mäusefängern für eine Feldmaus (Springer) 20 oder 30 Rappen, für die größere Wühlmaus (Nüeler) 40 Rappen und die Schermaus 50 Rappen. Kein Wunder also, dass wir Buben in der Ferien- oder Freizeit den Nagern nachstellten und mit Fallen einfingen. Ein Bauer auf dem Tromsberg nahm die toten Mäuse entgegen, führte für die Gemeinde Buch und entsorgte die Kadaver im Güllen Loch.

In den Sommer- und Herbstferien war ich oft in der Früh mit circa 30 Fallen unterwegs. Taufrisch lagen die grünen Wiesen und braunen Äcker des Siggenthaler Feldes vor mir. Feldwege unterteilten die Weite in rechteckige Fluren, die in der Ferne im Morgendunst verschwanden. Ein Bauer schnitt in der Nähe Gras. Weiter hinten stritten sich Lachmöwen und Krähen auf einem frisch gepflügten Acker um kleine Beuten. Eine wohltuende Stille lag über dem Land, die manchmal nur vom Gesang der Feldlerchen, die sich im Singflug in die Höhe schraubten, unterbrochen wurde.

Ich prüfte die Wiesen vor mir auf ihre Farben- und Grasstrukturen und erkannte dann auf Grund meiner Erfahrung oft, wo sich größere Ansiedlungen befanden. Dort suchte ich in den oberirdischen Ein- und Laufgängen des komplexen Baus nach Kot, frischen Fraß Stellen oder feiner Erde. Fand ich etwas, wusste ich, dass der Bau von vielen Nagern bewohnt ist und es sich lohnt, hier Fallen zu stellen. Dafür brauchte ich einige Stunden und hörte, bevor ich fertig war, an etlichen Orten Fallen wieder zuschnappen. Das hieß dann nachschauen, die tote Maus herausnehmen und die Falle neu schärfen. Die Zeit verging dabei im Nu und ich konnte an guten Tagen bis gegen 40 Springer fangen und in meiner braunen Ledertasche mitnehmen.

Manchmal war ich nur kurz beim Mausen und steckte dann halt einen Fang in den Hosensack. Vergaß ich einmal den Sack zu leeren, war meine Mutter die große Leidtragende. Sie weichte jeweils am Vorabend ihres Waschtages die Wäsche im Trog mit einem Waschmittel ein. Einmal fand sie am Waschtagmorgen eine tote Maus, die an der Wasseroberfläche des Troges schwamm. Zum Glück war meine pragmatische Mutter nie nachtragend.

Einmal fing ich in einem Jahr die meisten Nager und wurde Mauserkönig von Nussbaumen und Kirchdorf. Mit dem Geld kaufte ich mir u.a. ein Velo und lud die Kollegen zum Patisserie-Essen vor der Dorfbäckerei ein.

Text: Ernst Blumenstein

Ernst 28.4.24


PS: Ich bin für einige Zeit abwesend, besitze bewusst kein Smartphone und kann auf allfällige Anmerkungen nicht antworten. 

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10 Antworten zu Jugenderinnerungen

  1. Linsenfutter schreibt:

    Sehr schön.

    LG Jürgen

  2. Silberdistel schreibt:

    Dann hab eine gute Zeit, lieber Ernst.

    Lieben Gruß von der Silberdistel an den Mauser 😉

  3. hanneweb schreibt:

    Ein sehr schöner Beitrag und bei allem was du egal wo machst, wünsche ich dir viel Freude, lieber Ernst!
    Liebe Grüße, Hanne

  4. maria schreibt:

    Schöne Errinnerungen! Ich wünsch dir alles Gute und hoffe, dass wir bald mal wieder Schach spielen können!
    Alles Gute
    Maria

  5. tanjabrittonwriter schreibt:

    Lieber Ernst,

    ich verstehe gut, daß Mitte des letzten Jahrhunderts (das hört sich irgendwie merkwürdig an, wie schnell vergeht doch die Zeit) noch andere Verhältnisse herrschten und Nager lediglich als Pest angesehen wurden, die es auszurotten galt. Doch inzwischen geht es auch vielen Nagerarten, die wir einst so negativ ansahen, nicht gut, und es muß um ihr Überleben gefürchtet werden.

    Mit diesem Kommentar möchte ich keine persönliche Kritik an Dir ausüben. Doch ich wünsche mir einfach, daß wir lernen, mit allen möglichen anderen Wesen zu koexistieren, anstatt die Einstellung zu haben, sie einfach zu töten, nur weil sie in unserer Weltvorstellung anscheinend keinen Nutzen haben.

    Ich wünsche Dir eine schöne Ausszeit.

    Liebe Grüße,

    Tanja

  6. Nun, es ist schon einige Jahre her, dass du ein Rattenjäger warst…. Ich denke, um ein paar Franken zu bekommen, um dir Süßigkeiten zu kaufen.
    Früher habe ich sogar geweint, wenn ich eine tote Maus oder einen Vogel auf der Strasse sah… Ich habe schon damals Frösche und Eidechsen gerettet, die in den Eimern landeten, in denen meine Mutter das Regenwasser auffing, und ich habe Mäuse und Vögel gefüttert, die es in unserem Garten reichlich gab.
    Ich habe nie freiwillig ein kleines Tier getötet. Selbst als Kind mussten mich meine Eltern, wenn es einmal in der Woche Fleisch gab, dazu zwingen, es zu essen. Nicht selten spuckte ich den Happen heimlich aus und gab es dann der Katze oder dem Hund.
    Als ich mit meinem Freund nach Basel zog, hasste ich es, Fleisch zu kochen, weil es in der Umgebung stank.
    Mit 20 wurde ich Vegetarierin und beschäftigte mich bereits mit hinduistischen und buddhistischen Theorien… Als ich später in Amerika studierte und lebte, war die Situation komplizierter geworden, aber der Fleischkonsum war immer noch sehr gering. Leider gab es Anfang der 1980er Jahre noch keine Nahrungsergänzungsmittel oder Ersatzstoffe für tierisches Eiweiss auf dem Markt, und in den USA (dem grösse Fleischkonsumenten) gab es zu jeder Mahlzeit tierische Produkte. Besser war es dann in der Karibik, wo ich mit meiner eigenen Wohnung kochen konnte, was ich wollte. Als ich dann bei der Swissair anfang zu arbeiten, konnten wir auch dort nicht immer vegetarisch essen, aber Käse gab es reichlich.
    Seit etwa 18 Jahren essen mein Mann und ich kein Fleisch und keinen Fisch mehr, unsere Tochter hat dann vor etwa 6 Jahren auch damit angefangen. Jetzt ernähren wir uns sehr bewusst und versuchen auch Milchprodukte und Eier zu vermeiden, obwohl wir nicht extrem sind.
    Es tut mir leid, dass ich mit meiner Geschichte angefangen habe, die dir vielleicht nicht interessiert… aber wenn es um Tiere geht, macht etwas in mir „klick wie eine Feder“ und ich denke, es ist nur fair, dass ich erkläre, warum. Herzliche Umarmung :-)c

  7. Karin schreibt:

    Den Sperlingen ging es ähnlich; auch sie waren früher große Schädlinge. Heute sind Spatzen geschützt und vielleicht geht es den Nagetieren eines Tages auch so. Von Haselmäusen weiß ich es schon.
    Deine Erzählung liegt weit zurück und ich habe sie halbherzig gern gelesen, denn auch ich kann kein Tier töten, aber es waren andere Zeiten, arme Zeiten.
    Für Deine Gesundheit wünsche ich Dir alles Gute, Toni und ich denken an Dich.Lieber Gruß Karin

  8. rabirius schreibt:

    Dann erstmal eine gute Zeit!

    Und bis hoffentlich bald!

  9. wol schreibt:

    Super Bericht

  10. mes frères tout jeunes faisaient comme toi et ça m’a fait sourire que tu fasse comme eux 🙂 bon printemps à toi .En France il pleut et il ne fait pas beau..moi j’aime les fleurs et j’en ai de toutes sortes:)🌷🌺💐🌺🌼

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